29.04.2020

Work-Family-Konflikt in der Corona-Krise

  • Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in der Corona-Krise insbesondere für Familien mit jüngeren Kindern schwer zu bewältigen
  • Erwerbstätige im Homeoffice erleben häufig einen Work-Family-Konflikt, insbesondere jene in beengten Wohnverhältnissen

Von Caroline Berghammer

Beruf und Familie stehen häufig in einem Spannungsverhältnis zueinander. Die daraus resultierenden Konflikte werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung in zeit- und belastungsbasierte Konflikte eingeteilt. Zeitbasierte Konflikte entstehen, wenn aufgrund der großen Zeitaufwendung in dem einen Bereich nicht genug Zeit für den anderen Bereich zur Verfügung steht. Belastungsbasierte Konflikte können die Folge sein, wenn Belastungen in dem einen Bereich (z. B. Sorgen, körperlich schwere Arbeit) negative Auswirkungen auf den anderen haben. Das Verhältnis von Beruf und Familie ist aber nicht überall konfliktbehaftet, sondern beide Bereiche können einander auch bereichern. Etwa wenn Schwierigkeiten in einem Bereich durch Zufriedenheit im anderen Bereich ausbalanciert werden.

In der Corona-Panel-Befragung haben wir uns auf Konflikte konzentriert, die durch familiäre Verpflichtungen für die Ausübung des Berufes entstehen. Wir messen sie über zwei Fragen: „Wie oft haben Sie seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen das Gefühl, dass Ihre familiären Verpflichtungen Sie daran hindern, so viel Zeit für Ihre Erwerbstätigkeit aufzuwenden, wie Sie eigentlich sollten?“ (zeitbasierter Konflikt) und „Wie oft finden Sie es seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen aufgrund Ihrer familiären Verpflichtungen schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren?“ (belastungsbasierter Konflikt). Beide Fragen wurden kombiniert, um die Konflikthäufigkeit insgesamt darstellen zu können (für Details siehe Anmerkung zu Abbildung 1). Wir haben jene Personen dazu befragt, die sowohl erwerbstätig sind als auch mit einem Partner bzw. mit Kindern in einem Haushalt leben. Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche berufs- und familienbezogenen Umstände bedingen, dass Konflikte seltener oder aber häufiger sind.

Insgesamt zeigt sich, dass die Hälfte der Befragten (51%) in der Corona-Krise einen Work-Family-Konflikt erlebt. Ob und wie häufig es zu einem Vereinbarkeitskonflikt kommt, unterscheidet sich wesentlich nach Familien-, Arbeits- und Wohnsituation. Wie Abbildung 1 zeigt, sind Work-Family-Konflikte sehr viel häufiger unter Personen mit Kindern (61%) als in Paaren ohne Kinder (36%). Das Alter der Kinder spielt dabei eine große Rolle: die Konflikthäufigkeit ist tendenziell höher mit Kindern im Kleinkind- und Vorschulalter als mit Schulkindern. Während mit Kindern im Schulalter das Homeschooling die Zeit für Erwerbsarbeit reduziert, benötigen jüngere Kinder insgesamt mehr Betreuungszeit, die auch oft weniger gut plan- und eingrenzbar ist.

Auch der Arbeitsort beeinflusst die Häufigkeit des Work-Family-Konflikts. Im Homeoffice fällt es vielen Erwerbstätigen generell schwer sich auf die Arbeit zu konzentrieren und ausreichend Zeit dafür zu finden. Dies gilt insbesondere für Befrage mit Kindern: sie betreuen und unterrichten zusätzlich ihre Kinder und holen die Erwerbsarbeit oft in den Abend- und Nachtstunden nach. Aber auch für jene Befragte, deren Arbeitsort außerhalb der Wohnung liegt, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei eingeschränkter institutioneller Kinderbetreuung und notwendiger Abstimmung der Arbeitsteilung mit dem Partner bzw. der Partnerin oft eine Herausforderung.

Erschwert wird das Arbeiten im Homeoffice außerdem für jene, die in beengten Wohnverhältnissen leben. Wenn beispielsweise kein separater Raum zur Verfügung steht, der als Arbeitsplatz verwendet werden kann, sind Work-Family-Konflikte häufiger als bei Menschen, die ausreichend Platz zur Verfügung haben.

Weiterführende Auswertungen zeigen, dass Väter in der Corona-Krise häufiger Konflikte zwischen Beruf und Familie erleben als Mütter (ohne Abbildung). Väter arbeiten normalerweise Vollzeit und es ist für sie in der aktuellen Lage oft schwierig, 40 und mehr Arbeitsstunden pro Woche zu leisten. Mütter wenden in der Corona-Krise zwar deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit auf. Es ist möglich, dass für sie Stress und Doppelbelastung etwas ist, das sie gut kennen, so dass es für sie nicht neu ist – oder ihre (üblicherweise) Teilzeitbeschäftigung lässt ihnen mehr zeitlichen Spielraum.

Insgesamt zeigt sich, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Corona-Krise für viele Familien schwierig zu bewältigen ist. Es besteht dabei eine klare Kluft zwischen Familien mit und ohne Kinder. Der Wegfall von Kindergarten und Schule wirkt sich insbesondere für Familien mit jüngeren Kindern, Eltern im Homeoffice und jene in beengten Wohnverhältnissen nachteilig aus.

Abbildung 1: Work-Family-Konflikt (in Prozent)

Anmerkung:

Es wurden folgende zwei Fragen kombiniert:

(1) „Wie oft haben Sie seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen das Gefühl, dass Ihre familiären Verpflichtungen Sie daran hindern, so viel Zeit für Ihre Erwerbstätigkeit aufzuwenden, wie Sie eigentlich sollten?“

(2) „Wie oft finden Sie es seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen aufgrund Ihrer familiären Verpflichtungen schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren?“

Antwortkategorien: Nie; an manchen Tagen; mehrmals die Woche; beinahe jeden Tag; täglich

Dargestellt ist die Antwortkategorie mit der höheren Häufigkeit. 76% der Befragten gaben bei beiden Fragen dieselbe Antwort, für 14% ist der belastungsbasierte Konflikt stärker und für 10% der zeitbasierte.

Definition von wenig/durchschnittlich viel/viel Platz beruht auf der durchschnittlichen Quadratmeteranzahl pro Kopf; das unterste Drittel hat „wenig Platz“ (<29 m2 pro Kopf), das mittlere Drittel hat „durchschnittlich viel Platz“ (29-43 m2 pro Kopf) und das obere Drittel hat „viel Platz“ (>43 m2 pro Kopf).

(n=569; Welle 4; gewichtet)


Caroline Berghammer ist Assistenzprofessorin am Institut für Soziologie der Universität Wien und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie forscht zu Familie, Fertilität und sozialer Ungleichheit.