20.04.2020

Corona macht unzufrieden! Frauen aktuell mit ihrem Leben unzufriedener als Männer

  • Die Corona-Krise hat einen negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit in Österreich.
  • Frauen sind in der Krise unzufriedener als Männer (vor der Krise war es umgekehrt).
  • Ältere sind seit Ende März 2020 nun wieder zunehmend zufriedener.
  • Menschen mit höherer Bildung vor und in der Krise zufriedener.

Von Raimund Haindorfer

In der Corona-Krise sind wir alle mit einer Menge an Daten konfrontiert: Die Zahl der Neuinfizierten, der Prozentsatz der belegten Intensivbetten, oder Handydaten zur räumlichen Mobilität der österreichischen Bevölkerung. Während diese Daten objektiv messbare Dinge abbilden, widmet sich dieser Beitrag der subjektiven Perspektive der Menschen auf die Krise: Wie zufrieden sind die in Österreich lebenden Menschen aktuell mit ihrem Leben? Die Datengrundlage für die hier vorgenommenen Analysen bildeten die repräsentativen Umfragedaten des Austrian Corona-Panel-Projekts (Welle 1-3). Zudem wurden repräsentative Daten des European Social Survey für das Jahr 2018 verwendet, um die Lebenszufriedenheitstrends vor und inmitten der Krise in Österreich beobachten zu können. Die Lebenszufriedenheit, ein zentraler Indikator für die subjektiv empfundene Lebensqualität, wurde in diesen beiden Befragungen exakt gleich abgefragt: "Alles in allem betrachtet, wie zufrieden sind Sie derzeit mit Ihrem Leben? (0 = äußerst unzufrieden, 10 = äußerst zufrieden).

Lebenszufriedenheit im Sinkflug: Die Analysen zeigen (siehe Abbildung 1), dass die Lebenszufriedenheit in Österreich zwischen der European Social Survey-Befragung 2018 und Ende März 2020 relativ stark gesunken ist. Ist der Durchschnitts- bzw. Mittelwert für alle Befragten (rote Linie) im Jahr 2018 mit 7,91 noch recht hoch, liegt der entsprechende Wert zum Messzeitpunkt 1 der Corona-Panel-Umfrage (Ende März 2020) mit 6,50 deutlich niedriger und ist seitdem auch nicht wieder signifikant gestiegen. Die Reduktion ist statistisch signifikant und somit auch in der Grundgesamtheit der österreichischen Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorzufinden.

Abbildung 1: Durchschnittliche aktuelle Lebenszufriedenheit. Quelle: European Social Survey Round 9 Austria 2018 und Austrian Corona Panel Data (Welle 1-3); gewichtete Analysen (ESS: dweight; C-P: W1_WEIGHTD- W3_WEIGHTD); Fallzahlen ungewichtet (ESS: N = 2.495; C-P: 1.164); eigene Berechnungen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen?

Frauen jetzt unzufriedener als Männer: Im Vergleich zwischen Frauen und Männern offenbaren die Analysen (ebenfalls Abbildung 1) eine bemerkenswerte Trendverschiebung: Waren Frauen im Jahr 2018 noch etwas zufriedener als Männer, sind in der Corona-Krise die Frauen unzufriedener als die Männer (beide Resultate sind signifikant). Eine Erklärung für diese Geschlechterdifferenz könnten die relativ hohen Belastungen im Haushalt und in der Kinderbetreuung sein, die bereits vor der Krise hauptsächlich Frauen trafen, die sich aber seit den Ausgangsbeschränkungen vielfach erhöht haben.

Alters- und Bildungsunterschiede: Generell typisch für die Lebenszufriedenheit ist ein U-förmiger Verlauf (siehe Abbildung 2): Junge Menschen sind besonders zufrieden, dann sinkt die Lebenszufriedenheit bis zur Lebensmitte bevor sie im Alter wieder steigt. Ein klarer Trend in der Corona-Krise ist, dass ältere Personen (60+) seit Ende März nun wieder zufriedener werden. Die Lebenszufriedenheit steigt zudem mit der formalen Bildung (höchster Bildungsabschluss); dies war schon vor der Corona-Krise so und gilt weiterhin.

Abbildung 2: Durchschnittliche aktuelle Lebenszufriedenheit nach Alter und Bildungsabschluss. Quelle: European Social Survey Round 9 Austria 2018 und Austrian Corona Panel Data (Welle 1-3); gewichtete Analysen (ESS: dweight; C-P: W1_WEIGHTD- W3_WEIGHTD); Fallzahlen ungewichtet (ESS: N = 2.495; C-P: 1.164); eigene Berechnungen.

Zukünftig sollten die hier dargestellten Differenzen nach Ursachen näher untersucht werden. Dies könnte ein wichtiger Erkenntnisgewinn zu den subjektiv wahrgenommenen Belastungen in der Gesellschaft in dieser und in kommenden Krisen sein.


Dr. Raimund Haindorfer ist Post-Doc Researcher am Institut für Soziologie der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Migration, Integration, Arbeitsmarkt, Lebensqualität, Werte und Einstellungen (Kontakt: raimund.haindorfer@univie.ac.at).