23.12.2020 - PDF

Gut organisiert, aber wenig effektiv? Was die Österreicher*innen über die neuen Massentests denken

  • Die Massentests werden einhellig als gut organisiert wahrgenommen.
  • Die Meinungen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Ansteckungsgefahr in den Testzentren, der Effektivität und Zuverlässigkeit der Tests, sowie den persönlichen Möglichkeiten, sich in Quarantäne zu begeben.
  • Die meisten Österreicher*innen sehen in den Tests keinen Persilschein für sorgloses Verhalten in der Pandemie.

Von Sylvia Kritzinger und Julia Partheymüller

Als am 15. November 2020 Sebastian Kurz in der ORF-Pressestunde verkündete, in Österreich kurz vor Weihnachten Massentests nach dem Vorbild der Slowakei und Südtirol durchführen zu wollen, war die Überraschung über alle gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteure hinweg groß. Innerhalb kürzester Zeit wurden einerseits Stimmen laut, die die Massentests begrüßten, da dadurch eine umfassende Momentaufnahme des Epidemiegeschehens in Österreich ermöglicht würde, andererseits wurde die Sinnhaftigkeit der Tests aus vielerlei Gründen, wie etwa aufgrund der geringen mittelfristigen Aussagekraft, in Frage gestellt wurde. 

Diese Diskussionsstränge zu den Massentests zogen sich bis zu Beginn der ersten Durchführung der Tests Anfang Dezember. Mit Beendigung der ersten Runde der Massentests Mitte Dezember war die Bilanz eher ernüchternd. Während die Bundesregierung von einem Erfolg sprach (v.a. hinsichtlich der Organisation der Massentests), verwiesen Kritiker*innen auf die geringe Beteiligung der Österreicher*innen an den Massentests. In der Tat war die Beteiligung in allen Bundesländer unter den erwarteten und erhofften 60%. Während in Niederösterreich 37,8% der anvisierten Bürger*innen an den Tests teilnahmen, war die Beteiligung in Tirol und Vorarlberg mit 32,1% bzw. 31,3% etwas niedriger. Salzburg, das Burgenland, Oberösterreich und Steiermark reihten sich danach ein (27,2%, 22%, 22% und 20,7%), während Wien mit lediglich 13,5% Teilnehmer*innen das Schlusslicht bildete. 

Angesichts der Ankündigung der Bundesregierung, im Jänner 2021 weitere Massentests durchführen zu wollen, sehen wir in uns diesem Blog-Beitrag die Meinungen zu den  Massentests im Dezember genauer an. Wir beleuchten insbesondere, inwiefern die Sorge um Ansteckungsgefahr Teilnehmer*innen abgeschreckt haben könnte. Zudem untersuchen wir praktische Aspekte in Zusammenhang mit der Organisation der Tests (z.B. Anmeldung), die wahrgenommene Effektivität der Maßnahme, sowie das Verständnis, welche Konsequenzen das Testergebnis hat. Wir unterscheiden dabei jeweils zwischen Befragten, die an den Massentests teilnahmen oder unmittelbar planten, daran noch teil zu nehmen, und jenen, die nicht teilnehmen konnten oder wollten. Die Daten hierfür wurden von ACPP Mitte Dezember erhoben. Zu diesem Zeitpunkt wurden in einigen Bundesländern die Tests gerade durchgeführt oder waren vor Kurzem durchgeführt worden. 

Angst vor Ansteckungsgefahr als Grund für Nichtteilnahme?

Im Zusammenhang mit den Massentests wurde öfters die Sorge vor Ansteckung mit dem Coronavirus während der Durchführung des Massentests vorgebracht. Abbildung 1 greift diese Sorge auf, wobei wir bei den Befragten zwischen jenen unterscheiden, die beim Massentest bereits mitgemacht hatten bzw. mitmachen wollten, und jenen, die nicht vorhatten am Massentest mitzumachen bzw. nicht mitgemacht haben. 

Wie aus Abbildung 1 ersichtlich scheint es eine unterschiedliche große Ansteckungsangst zwischen Personen, die zum Massentest gehen, und jenen, die nicht zum Massentest gehen, zu geben. Während über 50% der Test-Teilnehmer*innen die Ansteckungsgefahr in den Testzentren als klein oder sehr klein ansehen, ist dieser Anteil bei Nicht-Teilnehmer*innen mit 31% um einiges kleiner. Auf der anderen Seite der Skala verhält es sich genau umgekehrt: eine geringe Ansteckungsgefahr bei Personen die sich testen lassen/ließen (unter 20%) versus größere Ansteckungsgefahr (etwa 30%) bei Personen, die sich nicht testen lassen. Auch ist in der zweiten Gruppe die mittlere Kategorie (=mittelmäßige Gefahr sich anzustecken) im Vergleich zur ersten Gruppe etwas größer. Die Ergebnisse legen nahe, dass zumindest einige Personen aus Angst vor einer Ansteckung nicht an den Massentests teilnahmen.

Abbildung 1: Ansteckungsgefahr in den Testzentren der Massentests. Daten: ACPP (11.-18.12.2020; N= 1.567; gewichtet)

Wie werden die Massentests bewertet?

Abbildung 2 greift weitere Bewertungen der Massentests auf, wobei wiederum zwischen Befragten, die sich testen haben lassen, und Befragten, die sich nicht testen lassen, unterschieden wird. Die ersten vier Fragen zur Bewertung der Massentests zielen auf die Organisation der Massentests ab. Die Auswertung zeigt, dass jene Personen, die am Test teilnahmen, die Organisation als sehr gut bewerten. Diese positive Bewertung betrifft sowohl die Anmeldung zum Test als auch die Durchführung des Test selbst. Bei der Durchführung des Tests werden sowohl die Professionalität der Durchführung, der Ort der Testdurchführung als auch die Warteschlangen vor den Testzentren positiv bewertet. 

Umgekehrt zeigen die hohen Weiß-Nicht-Angaben zu diesen Items bei den Befragten, die nicht an den Tests teilnahmen, dass diese nicht mit den organisatorischen Aspekten der Massentests in Berührung kamen und diese somit auch nicht bewerten konnten. Bei den anderen Antworten, die von den nicht teilnehmenden Personen gegeben wurden, können wir nur spekulieren, worauf sich diese Angaben stützen: durch Rückmeldungen von Bekannten, selbstgemachten Erfahrungen oder Medienberichterstattung. Dennoch zeigen diese Antworten, dass auch von diesen Befragten die organisatorische Abwicklung wenig in Zweifel gezogen wird und lediglich eine Minderheit diese negativ bewertet. Dies legt den Schluss nahe, dass die Organisation der Tests wenig mit der Nichtteilnahme zu tun hat.

Ein vollkommen anderes Bild ergibt sich bei den nächsten beiden Items, die auf die Einschätzung der Test an sich abzielen. Befragte, die sich testen ließen, sind mehrheitlich der Meinung, dass die Tests eine effektive Maßnahme zur Eindämmung der Krise sind, während es sich genau umgekehrt bei jenen Personen verhält, die sich nicht testen ließen. In dieser Gruppe sieht eine klare Mehrheit keinen Beitrag in den Massentest zum Bestreben, die Covid-19-Pandemie in den Griff zu kriegen. Auch bei der Einschätzung der Zuverlässigkeit des Tests unterscheiden sich die beiden Gruppen. Während 46% der Teilnehmer*innen von der Zuverlässigkeit überzeugt sind (ein Anteil, welcher sich mit den teils-teils Einschätzungen auf 82% erhöht), verhält es sich bei den nicht getesteten Befragten genau umgekehrt. Lediglich eine Minderheit von 13% der Nicht-Teilnehmer*innen schätzt die Tests als zuverlässig ein (gemeinsam mit der teils-teils Kategorie sind es etwas über 40%). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem die wahrgenommene geringe Effektivität der Maßnahme und die geringe Zuverlässigkeit der Tests bedeutsame Gründe für die Nichtteilnahme darstellen könnten.

Abbildung 2: Meinungen zu den Massentests. Daten: ACPP (11.-18.12.2020; N= 1.567; gewichtet)

Die Ergebnisse zu den Items “Ein negatives Testergebnis bedeutet, dass ich wieder mehrere Personen treffen kann” und “Trotz negativen Testergebnisses kann ich das Coronavirus verbreiten” zeigen, dass die Massentests von einer klaren Mehrheit der Österreicher*innen nicht als Persilschein für Sorglosigkeit im Umgang mit den Coronavirus gesehen werden - eine Befürchtung, die von vielen im Vorfeld geäußert wurde. Nur wenige Teilnehmer*innen nahmen also mutmaßlich an den Tests teil, weil sie sich persönlich davon neue Freiheiten versprachen.

Das nächste Item zeigt aber auch, dass die Nichtteilnahme an den Massentests nicht durch eigenes Testen kurz vor Weihnachten kompensiert wird. Vielmehr zeigt das vorletzte Item, dass Personen, die nicht am Massentest teilnahmen, sich dann auch nicht privat testen lassen werden. Nur eine verschwindende Minderheit dieser Gruppe denkt über private Tests kurz vor Weihnachten nach. In anderen Worten: ein Kompensation durch private Tests findet also nicht statt. Bei den Teilnehmer*innen der Massentests ist die Bereitschaft, sich kurz vor Weihnachten nochmals testen zu lassen, etwas höher, aber auch hier bewegen sich die Zahlen im niedrigen zweistelligen Bereich. Dies passt auch mit der derzeitigen Medienberichterstattung zusammen, die zwar von Warteschlangen vor den Testzentren und einer verstärkten Nachfrage nach Antigentests in den Apotheken berichtet, aber in denen die Anzahl der Teilnehmer*innen in absoluten Zahlen weit unter jenen der Massentests liegen

Zu beobachten ist des Weiteren, dass bei den Nichteilnehmer*innen an den Massentests eine größere Anzahl der Befragten angibt, dass sie sich eine Quarantäne nicht leisten können. Durch die Nichteilnahme verhindern sie, dass sich ein mögliches positives Ergebniss negativ auf ihre Bewegungsfreiheit, die auch die Arbeitstätigkeit und die Kinderbetreuung miteinschließt, auswirken kann. Allgemein gilt es jedoch anzuführen, dass die Anzahl der Personen, die sich keine Quarantäne leisten können, sowohl in der Gruppe der Teilnehmer*innen als auch der Gruppe der Nichteilnehmer*innen relativ gering ist (maximal 25% in der zweiten Gruppen).

Fazit 

Die im Dezember durchgeführten Massentests sind bei der Bevölkerung auf geringere Resonanz gestoßen als von der Bundesregierung erhofft. Im vorliegenden Blog-Beitrag haben wir uns mit der Bewertung der Massentests durch die Bevölkerung beschäftigt, wobei wir zwischen Personen, die daran teilnahmen, und Personen, die nicht teilgenommen haben, unterschieden. 

Während die organisatorische Durchführung von den Befragten positiv bewertet werde und Massentests nicht als Freibrief für verstärkte soziale Kontakte verstanden werden, zeigt sich bei der Bewertung der Effektivität und Zuverlässigkeit des Tests ein deutlicher Unterschied zwischen Teilnehmer*innen und Nicht-Teilnehmer*innen. Möchte die Regierung angesichts der bevorstehenden Massentests Mitte Jänner 2021 die Teilnahme also erhöhen, so gilt es, bei einer Mehrheit der Österreicher*innen Überzeugungsarbeit hinsichtlich ihrer Effektivität und Zuverlässigkeit zu leisten. Ob sanfter Zwang hierfür die richtige Strategie ist, kann bezweifelt werden, da dadurch die grundlegende Skepsis nicht aufgehoben wird und es womöglich zu einer Reaktanz in weiteren Gesellschaftsgruppen kommen kann. Auch gilt es aus ethischer Perspektive zu hinterfragen, ob Menschen mit Angst vor Ansteckung gezwungen werden sollen, an Massentests teilzunehmen. Die Entwicklung und Umsetzung einer langfristigen, nachvollziehbaren und regelmäßigen Teststrategie, die Sicherheit und Sinnhaftigkeit widerspiegelt, könnte jedoch die eine oder andere Skepsis reduzieren.   


Sylvia Kritzinger ist Professorin für Methoden in den Sozialwissenschaften am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, eine der Projektleiter*innen der Austrian National Election Study (AUTNES) und stellvertretende Leiterin des Vienna Center for Electoral Research (VieCER).

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.